1945: Junkerland in Bauernhand! - 2022: Bauernland in Spekulantenhand?
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Reggentin,
wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie als sehr besorgte Bürger der Gemeinde Klein Vielen mit ihren Ortsteilen Adamsdorf, Brustorf, Hartwigsdorf, Liepen und Peckatel.
Wie wir vor Kurzem erfahren mussten, befasst sich die Gemeindevertretung seit mehr als zwei Monaten mit einem „Solarparkprojekt“, das schwerwiegende Auswirkungen für Klein Vielen und seine Ortsteile hätte. Die Landgut Luisenhof GmbH plant offenbar zusammen mit zwei weiteren Unternehmen, auf ausschließlich eigenem Grund ca. 180 Hektar Acker- und Grünland, verteilt auf drei Gemeindegebiete, mit Solarpaneelen abzudecken.
Hartwigsdorf würde, wenn es nach dem Wunsch der “Investors“ ginge, im Norden und im Süden durch zwei teilweise unmittelbar an die bestehende Ortsbebauung angrenzende Solarflächen von zusammen über 110 Hektar regelrecht umzingelt werden. Die kleine Straße zum Kreutzsee beispielsweise führte dann nicht mehr durch Felder und Wiesen, sondern durch eine schwarze Industrielandschaft.
Ein ebenfalls nahezu 70 Hektar großes Solarfeld würde sich zwischen Adamsdorf, Liepen und Klein Vielen erstrecken.
Adamsdorf wäre in seinem nördlichen und Liepen im östlichen Naherholungsbereich, Brustorf im Nordwesten, Klein Vielen im Süden betroffen.
Wir sind entsetzt sowohl über diese Pläne an sich, als auch über die Tatsache, dass wir Bürger über ein für die Gemeinde und uns alle so dramatisches Vorhaben bislang nicht informiert wurden.
Der aus Berlin kommende Hauptgesellschafter und bestimmende Geschäftsführer der Landgut Luisenhof GmbH hat stets – gerade auch zum Zwecke des weiteren Landerwerbs gegenüber von ihm angesprochenen Grundstücksverkäufern – seine Herkunft aus einer bäuerlichen Familie betont, und dass sein „Herz schon lange der Landwirtschaft gehöre“.
Mit ihm als finanzstarkem, verlässlichem Partner mit „Leidenschaft“ für den Landwirtschaftsbetrieb der ehemaligen Agrargenossenschaft Luisenhof (jetzt GmbH) würde durch den Hinzuerwerb von Flächen die Produktionsgrundlage dieses Betriebs langfristig gesichert, womit „Ihr Land auch weiterhin in guten Händen ist“.
Entsprechend finden sich im aktuellen Internetauftritt der Gesellschaft folgende Aussagen als Teil ihrer erklärten Firmenphilosophie:
„Unser Unternehmen steht für die Erzeugung gesunder und qualitativ hochwertiger Lebensmittel unter Beachtung einer umweltschonenden Bewirtschaftung und einer artgerechten Tierhaltung.“
Oder: „Unser Unternehmen steht für eine vielfältige, flächendeckende Landbewirtschaftung, um die Kulturlandschaft und die Artenvielfalt zu erhalten.“
Der zweite in unserer Region lebende Geschäftsführer der Luisenhof GmbH hat erst kürzlich in einem Beitrag für das verdienstvolle und aufschlussreiche Buch „Zwischen Lieps und Havelquelle“, erschienen vor wenigen Monaten, den besonders schützenswerten Charakter unserer „vielfältigen Kulturlandschaft mit von Wäldern unterbrochenen Ackerflächen, durchwachsen von Brüchen, Söllen und Tümpeln, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat“, eindrucksvoll hervorgehoben. Diese abwechslungsreiche Landschaft dürfe sich – wenigstens seinem bisherigen Bekunden nach – nicht ändern, schreibt er.
Welche Worte gelten jetzt?
Zeigen sich nunmehr die wahren Absichten des Investors (mit angeblich internationaler Finanzverflechtung)?
Durch ein solches „Solarparkprojekt“ mit seinem weithin sichtbaren industriellen Erscheinungsbild (vor allem Hang- und andere exponierte Lagen) im unmittelbaren Vorfeld des Müritz-Nationalparks würde unsere attraktive hügelige Moränenlandschaft, die als Teil der Seenplatte zu den schönsten Gegenden Deutschlands zählt, in ihrem Kern entwertet. Die Auswirkungen auf Tourismus und Landwirtschaft (Verlust der landwirtschaftlichen Produktion und damit der Nahrungsmittelversorgung in einer Zeit, in der u. a. der Weizenpreis einen Höchststand erreicht hat), auf die reiche Tierwelt (nur beispielhaft seien Wildwechsel, Rastplätze für Tausende von Kranichen etc. genannt), vor allem aber auch auf die Lebensqualität unserer Bürger und aller Erholung Suchenden wären verheerend.
Hinzu käme ein Wertverfall unserer Grundstücke – denn wer möchte in der Nachbarschaft zu Solarfeldern leben?
Über die Veränderung des Mikroklimas und Elektrosmog mit seinen gesundheitlichen Auswirkungen haben wir dabei noch gar nicht gesprochen …
Alle Bemühungen der letzten Jahre seitens der Gemeinde, von örtlichen Vereinen und privaten Initiativen um einen nachhaltigen Entwicklungsweg (als Beispiele: Jahnkapelle, Gutshaus Peckatel, Seehaus Kreutzsee), ganz speziell die Förderung des Tourismus (die Gästezahlen steigen seit Jahren) wären dann vergebens gewesen, und auch der erwünschte Zuzug neuer Gemeindebürger (und Steuerzahler!) fände sein abruptes Ende. Bei einer Projektverwirklichung würden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, nein, Arbeitsplätze würden, vor allem im Tourismusbereich, vernichtet.
Als der Landtag MV Mitte letzten Jahres ein Solarflächenpotenzial von 5000 ha für unser gesamtes Bundesland in ausnahmsweiser Abweichung vom gültigen Landesraumentwicklungsprogramm identifizierte, hatte er ganz offensichtlich andere, im Land genug vorhandene, landschaftlich nicht schützenswerte, großflächige Ebenen ohne besonderes charakterliches Erscheinungsbild im Sinn, welche im deutlichen Kontrast zur erhaltungswerten Eigenart unserer schönen Heimat stehen.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, wir fordern Sie und alle GemeindevertreterInnen eindringlich auf, unsere zur Seenplatte gehörende einzigartige Landschaft zu schützen und diese nicht vordergründigen, erfahrungsgemäß ungesicherten monetären Versprechungen und finanziellen Interessen Dritter zugunsten großflächiger Industrieanlagen zu opfern.
Bitte fassen Sie deshalb in der Gemeindevertretung keinesfalls - wie auch immer geartete - projektfördernde oder das Projekt ermöglichende Beschlüsse.
Wir vertrauen hier besonders auch auf diejenigen Mitglieder, die 2019 im Wahlprogramm für Ihre Bewerbung zum/zur Gemeindevertreter/in sich für den Naturschutz innerhalb des Gemeindegebiets lautstark ausgesprochen hatten.
Bitte informieren Sie uns Bürger zeitnah über den aktuellen Stand dieses ernsten Themas in der Gemeindevertretung.
Die Einladung zu einer – soweit erforderlich, coronagerechten - baldigen Einwohnerversammlung sehen wir als unumgänglich an, sofern Sie zuvor dem Vorhaben nicht bereits eine klare Absage erteilt haben sollten.
Nach unserer Auffassung erlaubt die Hauptsatzung der Gemeinde Klein Vielen keine weitere nichtöffentliche Behandlung des Themas in der Gemeindevertretung.
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